Zurück zur Natur – Erfindung und Verschwinden der "Waldheimat"

 

Mit der Klage über das Verschwinden ‚des Dorfes‘ verbindet sich auch die über den Verlust einer spezifischen Beziehung von Mensch und Natur. Dementsprechend verbindet sich der Topos der Wiederentdeckung des Dorfes als Sozial- und Imaginationsraum mit der Hoffnung zu einem Verhältnis mit der Umwelt ‚zurückzukehren‘, das zunehmende Ur-banisierung und globale Vernetzung zunehmend zu verdrängen scheinen. Was hier klingt wie die Beschreibung eines aktuellen „Landlust“-Trends ist bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert groß in Mode. Der österreichische Schriftsteller und Publizist Peter Rosegger greift mit seiner Zeitschrift Der Heimgarten sowie mit seinen zahlreichen Erzäh-lungen ein Gefühl auf, das offenbar viele seiner Zeitgenossen teilten und seine Texte auch heute noch in bestimmten Kontexten populär macht. Roseggers Gefühl, dass die zuneh-mende Modernisierung seiner Heimat Landschaften ebenso wie Biographien tiefgreifend und nicht unbedingt wünschenswert verändert, führt wiederholt zu der Forderung einer Rückkehr zum „einfachen Leben“ und dem Aufruf „zurück zur Natur“. Seine Kritik an der Zerstörung natürlicher Ressourcen und der fortschreitenden Zerstörung der ‚ursprüngli-chen‘ Landschaft (z.B. in „Veränderung der Landschaft“ Heimgarten 1903/04 und „Wald und Wasser“ Heimgarten 1905/06) steht dabei in einem Spannungsverhältnis insbeson-dere zu seinen biographisch inspirierten Erzählungen der Sammlung Waldheimat (1877). Selbst in die Stadt gezogen, inszeniert Rosegger das Verschwinden seines Heimatortes Alpl als Ergebnis fortschreitender Modernisierung (auch seiner selbst) und der daraus resultierenden mangelnden Pflege des Ortes, des väterlichen Waldbauernhofes und der althergebrachten Traditionen.
In meinem Vortrag möchte ich die Konflikte, die Roseggers nostalgische Perspektive so-wie sein politisches Schreiben verursachen, in Hinblick auf die Bedeutung des Verschwin-dens von Dörfern als ‚naturnaher‘ Lebensform für die Beziehung von Mensch und Natur und die damit verknüpften Konzepte von Umwelt- und Naturschutz untersuchen. Ich werde zeigen, dass Roseggers (proto-)ökologische Ideen, gerade weil sie sich in einigen Punkten deutlich von denen der heutigen Umweltbewegungen unterscheiden, großen Einfluss auf das wirkmächtige Narrativ vom ‚ökologischen Dorf‘ ausüben.