Die komische Dimension der verschwindenden Siedlung im franko-belgischen Comic

 

Aufgrund ihrer rein schriftsprachlichen Suggestion fällt es der Buchstabenliteratur schwer, das Verschwinden eines Ortes zu pointieren, muss sie doch erst eingehend beschreiben was eigentlich in der Auflösung begriffen ist, damit sich der Leser überhaupt ein Bild machen kann. Dem Film ist es zwar möglich dies ebenso akkurat wie unmittelbar zu veranschaulichen, dafür werden andere Probleme evident: Ein Dorf vor der Kamera zu konstruieren um es dann wieder zu demontieren verlangt einen zeitlichen und finanziellem Aufwand, der nicht mehr ökonomisch ist, sofern er lediglich eine kurze Sequenz zum Ziel hat. Gleichzeitig bedarf es einer extremen zeitlichen Raffung, zu der der Film zwar technisch imstande ist, die in seinem pseudo-realistischen Kontext aber einem Illusionsbruch gleichkommt. Hingegen vermag es gerade der Comic, verschwindende Siedlungen prägnant abzubilden: Um die Szenerie detailliert Gestalt annehmen zu lassen, bedarf es nur der Kunstfertigkeit des Zeichners, während die abstrakte Form der Bildfolge auch größere Zeitsprünge akzeptabel erscheinen lässt. Besonders im franko-belgischen Sprachraum hat der Comic dabei eine Form ausgebildet, deren temporale Verdichtung zur Darstellung der Auflösung von Orten prädestiniert erscheint und der es in der Vergangenheit wiederholt gelang, dem Verschwinden durch Reduktion komische Facetten abzugewinnen. Dies kann anhand zweier Beispiele verdeutlicht werden: Lucky Luke – Ruée sur l’Oklahoma (1960, René Goscinny/Morris) schildert den „Oklahoma Land Run“ von 1889, die Besiedelung der letzten Indianer-Territorien in den USA, als bizarren Wettlauf, bei dem das Land ebenso schnell erschlossen wie wieder verlassen wird, so dass am Ende nur Geisterstädte bleiben. Der Verzicht auf die Darstellung der Übergangsstadien, spitzt dabei die Wettkampfmentalität der Siedler, die auf kein Ziel gerichtet ist sondern sich im Selbstzweck erschöpft, grotesk zu.
Astérix – Le Domaine des Dieux (1971, René Goscinny/Albert Uderzo) thematisiert den Bau einer römischen Trabantenstadt im Jahr 50 vor Christus. Nachdem es mühsam gelang, zumindest einen einzelnen Wohnkomplex zu errichten, vertreiben die widerständigen Ansässigen sämtliche Mieter. In wenigen Bildern wird daraufhin zusammengefasst, wie der Häuserblock verfällt und von der Natur überwuchert wird, wobei der Gegensatz zwischen dem sich endlos erstreckenden Aufbau und der scheinbar blitzartigen Auflösung des Gebäudes die Komik der Narration verstärkt.