„… sie werden sich einfach aufhalten wollen an einem Ort, an dem sie die Welt hinter sich haben und voraus nichts mehr als Leere.“ W. G. Sebalds Die Ringe des Saturn und die Semantiken der Peripherie.

 

Der melancholische Erzähler des Gedankenprosawerks Die Ringe des Saturn wandert nach dem Abschluss einer größeren Arbeit durch die Grafschaft Suffolk im Osten Englands – eine strukturschwache Region. Die Dörfer sind verwaist und arm, die Infrastruktur ist marode und überall finden sich Spuren der Zerstörung. Seine wirtschaftliche Unabhängigkeit von der Gegend ermöglicht es ihm, sich in ihr ungebunden zu fühlen, doch das Erlebnis der überall erkenntlichen Spuren grausamen Geschichtsverlaufs lähmt ihn so sehr, dass er nach einem Jahr schwer depressiv in eine Klinik geliefert wird. Der literarische Text erscheint als Kunstwerk aus der Feder eines schwermütigen Kranken.
In meinem Vortrag betrachte ich diese Konstellation. Dabei lasse ich mich von zwei Hypo-thesen leiten: (1) Der depressive Zusammenbruch ist keine Folge des Soseins der Landschaft, sondern durch Dispositionen und Überzeugungen des Erzählers zu erklären. (2) Die Graf-schaft Suffolk, jene strukturschwache Region erfüllt für den Erzähler unausgesprochener-weise die Funktion eines Museums, ist also ein Ort der Erkenntnis. Daher empfiehlt sich ein mehrgliedriges Vorgehen. Zuerst stelle ich die zivilisationskritische Schlagseite der Gedanken des Erzählers dar und wie sie sich an der Landschaft Suffolks entzünden, danach thematisiere ich die stillschweigende Funktion der strukturschwachen Gegend als Museum durch eine Auseinandersetzung mit dem Verhalten des Erzählers. Im Anschluss daran kann noch eine weiterreichende Interpretation des Erzählers durch Rückgriff auf die Melancholie-Konzepte in Sebalds Werk und die Problematik des Erinnerns skizziert werden.