Armutszeugnisse für die Erinnerungskultur! Strategien ästhetisch-poetischer Inwertsetzung peripheren Kulturerbes in der Kunst nach 1970

 

Primär werde ich von Ergebnissen meiner Forschung im Rahmen der Promotion ausgehen und konkret Nikolaus Langs jahrelange (performativ-installative) Auseinandersetzung mit aufgelassenen Grundbauernarealen in der Peripherie seines oberbayerischen Heimatortes in den Vordergrund rücken. Die im Arbeitstitel genannten Armutszeugnisse sind dabei zunächst wörtlich zu verstehen: Oftmals handelt es sich um (dingliche) Belege kargen Lebens an der Peripherie, die Künstler 1974 im Rahmen der Ausstellung 'Spurensicherung' aufbereiten. In einem doppelten Sinn geht es mit der Ausstellung eines Armutszeugnisses aber auch um Institutionenkritik, die den 'großen' historischen (Ausstellungs-)Narrativen eine Form künstlerischer 'Geschichte von unten' entgegenzusetzen sucht. Komparatistische Züge wird diese Darstellung insofern anbieten, als dass zu der Tendenz spurensichernder Kunst neben Lang auch Künstler wie der Italiener Claudio Costa gezählt werden, dessen eigene Aufnahme marginalisierter ruraler Kultur in Ligurien wiederum stärker romantisierende Akzente setzt, also 'traditionelles bäuerlisches Handwerk' als bedroht durch die Moderne bzw. Spätmoderne darstellt. In einer erweiterten Perspektive passt zu einer künstlerischen Besinnung auf marginalisierte Beiträge am Weltgeschehen, dass Tendenzen wie Spurensicherungskunst (zeitlich) parallel zu Strömungen wie der 'Neuen Subjektivität/Neuen Innerlichkeit' in der Literatur diskutiert werden. Mithin gilt es, auch neoromantische Momente in einem solchen, hier vorerst lediglich skizzierten Kontext zu erörtern, wobei Künstler wie Lang über einen individualistischen Zugriff auf vegessenes Kulturerbe hinaus in Hauptwerken gerade die - eher tragische/nicht-idyllische - Vielfalt und Segrergierung ruralen Lebens bis ins 20. Jahrhundert herausstellen.