Dorf Magyarország? Das Politische in der ungarischen Gegenwartslyrik

Stephan Krause

 

Ausgehend von Balázs Szálingers Gedicht Descriptio Hungariae fragt der Beitrag nach dem zugleich gespannten und spannenden Verhältnis von poetisch imaginierter Dörflichkeit und ‚haza" (‚Heimat/Vaterland') in der ungarischen Gegenwartslyrik. Das Thema ‚haza' erfährt als nachhaltig politisch aufgeladener Topos in der ungarischen Gegenwartsdichtung eine Renaissance an Bedeutsamkeit, wird ihm doch der (politisierende) kritisch-patriotische Ton der Distanzierung unterlegt. Darin spricht sich eine Auseinandersetzung mit dem ‚heutigen Ungarn' genauso aus wie überhaupt eine Problematisierung des begrifflichen (?) und poetischen (?) Konzeptes ‚haza", das sich immer wieder eng auch mit dörflichen und genereller ländlichen (ruralen) Topoi verknüpft. Ort der Distanzierung und zugleich ruraler Traditionalisierung manifestiert sich in der poetischen Repräsentation des Dorfes die Abgrenzung zum Städtischen. Hinzu kommt aber für die ungarischen Beispiele ein Diskurs des gemeinschaftlich ‚Ungarischen', dessen dystopische Momente in die Texte drängen und dessen Traditionalität sich die Texte verweigern.


Der Beitrag zeichnet Hauptlinien dieses Diskurses gerade auch in der (politisch lesbaren) Gegenwartslyrik nach und lotet so den „sehr eng damit verknüpfte[n] Begriff der Heimat" – im Ungarischen eben ‚haza" – aus. Eine Annäherung an und eine Auseinandersetzung mit diesem brisanten Konzept, seiner (neuerlichen) poetischen Politisierung, teilweisen Historisierung und grundlegenden Kritik bzw. gar Ablehnung in der ungarischen Gegenwartsdichtung wird anhand exemplarischer Texte vorgenommen. Unter Berücksichtigung literatur- und motivgeschichtlicher Implikationen wird das Dorf somit in seiner Zeichenhaftigkeit aufgefasst und nach seiner semantischen und symbolischen Aufladung in ihrer Verbindung mit jenem ‚haza" gefragt.

 

 

Tagung Imaginäre Dörfer | Halle | 05.09 - 07.09.2013