„Da war alles anders, als ich dachte, ganz wie zu Hause“. Schatten der Versehrtheit in der dörflichen Lebenswelt der Gegenwartsliteratur am Beispiel der Werke Arnold Stadlers

Anton Philipp Knittel


Der vielfach ausgezeichnete oberschwäbische Schriftsteller Arnold Stadler (Jahrgang 1954), Träger u.a. des Büchner- und des Kleist-Preises, wurde seit seinen autobiographischen Anfängen („Ich war einmal“ (1998), „Feuerland“ (1992) und „Mein Hund, meine Sau, mein Leben“ (1994)) vielfach unter dem vereinfachenden und viel zu kurz greifenden Label „oberschwäbischer Heimatschriftsteller“ rezipiert. Doch sind Stadlers Texte alles andere als bloße Regional- oder gar Provinzliteratur. Wenngleich die meisten Werke dem „Weniger Werden der dörflichen Welt“, den Menetekeln der Moderne, gewichtige Bedeutung zumessen – zuletzt besonders exponiert in dem großen Essay „Auf dem Weg nach Winterreute. Ein Ausflug in die Welt des Malers Jakob Bräckle“ – , sind sie weit mehr als trendige heimatkritische Texte. Denn stets ist der Blick über den Dorfrand hinaus geweitet. Ob in „Heideggers enger Welt“, in „schwäbisch Mesopotamien“, ob in der norddeutschen Tiefebene, in der Basilikata, beim „Ausflug nach Afrika“ oder eben in „Feuerland“: Immer wieder konstatieren die Texte Stadlers doppeldeutig, wie das Ich, kaum bei seinen patagonischen Verwandten angekommen: „Da war alles anders, als ich dachte, ganz wie zu Hause“.
Dem dichten Motivgeflecht von dörflicher Welt, Verlust von Ich-Identität, Sprach-Verlust und dem Verwiesensein auf Transzendenz, das der studierte Theologe und promovierte Literaturwissenschaftler Stadler in seinen Romanen und Essays knüpft, mit Blick auf das Tagungsthema nachzugehen, ist Ziel des Vortrags. Leitende These ist dabei, dass Stadlers elaborierte Anti-Heimat-Romane jenseits aller romantisierenden Traditionen in eigentümlicher Weise dem Themenkreis Transzendenz verpflichtet sind. Sie lassen sich damit stellvertretend für eine starke Strömung gegenwärtiger Literatur lesen, was abschließend im Vortrag thematisiert werden soll.

 

 

Tagung Imaginäre Dörfer | Halle | 05.09 - 07.09.2013