Armut, Gewalt und der Verlust der Moral – Die Wiederkehr des Dörflichen und der ‚Neue Realismus' in der zeitgenössischen amerikanischen Literatur

Sascha Seiler

 

In den letzten Jahren ist das ländliche Amerika verstärkt in den Fokus der Literatur gerückt. Im Zuge der zunehmenden Verarmung großer Landstriche und der immer größerer werden Diskrepanz zwischen den reicheren, mit höheren Bildungsstandards gesegneten Städten der Ost- und Westküste, scheinen riesige, schon traditionell ärmere Landstriche etwa in Missouri oder Kentucky zunehmend ins soziale Abseits zu driften. Aus dieser bedrückenden Situation ist eine Art neuer literarischer Realismus entstanden, dessen Wurzeln breit gestreut sind: Einerseits rezipieren die Autoren zahlreiche rurale Südstaatenautoren mehrerer Generationen, vor allem William Faulkner und Cormac Mc Carthys apokalyptische Visionen und seine Darstellung alltäglicher Gewalt in Gebieten, die jenseits zivilisatorischer Grenzen zu liegen scheinen. Andererseits zeichnen zeitgenössische Schriftseller wie Donald Ray Pollock, Daniel Woodbridge oder Willy Vlautin die amerikanische ‚Frontier' neu, indem sie ihre Figuren in klar abgesteckten sozialen Räumen (nach Lefebvre) agieren lassen, die sich weitab von der zivilisatorischen Ordnung der Stadt befinden. Dass diese Räume sich bei besagten Autoren zudem auch in verschiedenen Landstrichen der USA befinden, erlaubt wiederum eine übergreifende Rezeption und Deutung der Geschichten um Armut, Gewalt und moralischer Verrohung und macht sie zudem, vor allem im Falle von Cormac McCarthys kulturübergreifender Metaphorik, trotz ihres scheinbaren Regionalismus, zu einem universell rezipierbaren Thema.

 

Im Vortrag soll ein Blick auf mehrere zeitgenössische Romane geworfen werden. Auch soll die zentrale Frage aufgeworfen werden, warum diese Stoffe so gerne (und schnell) verfilmt werden, und wie jedoch sogar abseits des Mainstreams operierende Filme den ‚Neuen Realismus' entschärfen und ihn mit einer in den Romanen größtenteils abwesenden Sentimentalität befrachten, die den Frontier-Gedanken und das amerikanische Landleben wiederum in ein traditionell nostalgisches Licht stellt.

 

 

Tagung Imaginäre Dörfer | Halle | 05.09 - 07.09.2013