Ungarische Dörfer - Räume der Verharrung aus dem Blick des Fremden in literarischen Texten der Gegenwart

Anikó Zsigmond

 

Ungarn war in der Geschichte lange durch seinen Status als Agrarland, in der Literatur- und Kulturgeschichte durch seine Naturlandschaft geprägt. Zwar hat die Welle der Globalisierung und der Modernisierung bedeutende Veränderungen in der Wirtschaft bewirkt, in der Verwaltung und in der Kultur ist jedoch immer noch die alte, traditionelle Siedlungsstruktur charakteristisch. In der Tat gab und gibt es in Ungarn nur eine Metropole, einige größere und kleinere Städte und vor allem viele Dörfer. Die Dorflandschaft ist mit ihrer Kultur erhalten geblieben, sie ist von der Urbanisierung nicht verdrängt worden. Allerdings erscheint sie als Raum, in dem Vergangenheit und Gegenwart, Realität und Hoffnungen, Illusionen und Ernüchterungen, Begrenzung und Entgrenzung miteinender in Berührung kommen. Dadurch ergibt sich weniger ein nostalgisches, sondern eher ein trübes Bild.


In der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur scheint das ungarische Dorf ein Topos geworden zu sein, was Schriftstellerinnen wie Terézia Mora, Zsuzsa Bank und Esther Kinsky zu verdanken ist. Das ungarische Dorf mit seinen kulturellen Praktiken und kollektiven Identitätsentwürfen wird aus dem Blick des Fremden inszeniert – was auch die Grenzen der Desillusionierung erreichen kann. Im Vortrag sollen charakteristische Züge der Raumgestaltung und der Identitätkonstruktionen ebenso wie spezielle Elemente der Landschaftsästhetik erfasst werden. Zwar handelt es sich in den Texten der Autorinnen um diverse geografische Räume (die Gegend Ödenburg in Westungarn bei Mora, der Balaton und das Mittelgebirge in Nordungarn bei Bank und die Tiefebene in Südungarn bei Kinsky), doch sind die Konturen desselben Topos überall ersichtlich.

 

 

Tagung Imaginäre Dörfer | Halle | 05.09 - 07.09.2013